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Geistlicher Missbrauch Schweiz

Gedankenumbildung

Im Bereich des geistlichen Missbrauchs wird oft von Gehirnwäsche gesprochen.
Was tatsächlich umgesetzt wird, ist viel hinterlistiger als Gehirnwäsche - Gedankenumbildung!

Definition Gehirnwäsche: "Versuch der gewaltsamen Veränderung der Urteilskraft und der [politischen] Einstellung eines Menschen durch starken physischen und psychischen Druck."

Der Unterschied liegt darin, dass man bei sich bei einer Gehirnwäsche in der Regel vollkommen bewusst ist, dass diese stattfindet.
Die Gedankenumbildung ist schleichender und kommt oft unbemerkt zur Hintertür herein.
(Anmerkung der Redaktion)

Die 8 Kritierien für Gedankenumbildung

1. Milieukontrolle
2. Mystische Manipulation, geplante Spontanität
3. Forderung nach Reinheit
4. Kult des Sündenbekenntnisses
5. Geheiligte Wissenschaft
6. Manipulation der Sprache
7. Vorrang der Lehre vor dem Menschen
8. Zu- und Aberkennung der Existenzberechtigung


1. Milieukontrolle

Die Kommunikation und das Umfeld einer Person werden kontrolliert. Dies
geschieht beispielsweise dadurch, daß "Ausbilder" als Bezugspersonen
eingesetzt werden oder das intensive Seminare über längere Zeiträume mit
dem Ziel, daß die Kontakte "nach außen" abbrechen, durchgeführt werden.
Lifton führt aus: "Ist diese Kontrolle extrem intensiv, so wird sie zur
internalisierten Kontrolle - ein Versuch, die innere Kommunikation des
Individuums zu steuern." Zeitgleich läßt sich eine starke
Persönlichkeitsveränderung beobachten. Häufig kommt es bereits auf dieser
Stufe zu einer Verschiebung des Normen- und Wertesystems.


2. Mystische Manipulation, geplante Spontanität

Die mystische Manipulation geht häufig einher mit der Beeinflussung durch
Riten wie beispielsweise Chanten, Fasten, Meditation, usw. Das Weltbild
wird hierbei dualisiert; es wird in "Gut" (="intern" - innerhalb der
Gruppierung) und "Böse" (="extern" - die gegen die Gruppierung gerichtete
Außenwelt) eingeteilt. "Neueinsteiger" werden außerdem um der Ideologie
willen auch getäuscht, gezielt desinformiert und systematisch belogen.


3. Forderung nach Reinheit

Durch die Einteilung in Radikale wie zum Beispiel Rein - Unrein, Gut - Böse
wird vor allem eine Trennung innerhalb der Person erzeugt. Die ständige
Forderung nach vollkommener Reinheit bildet die Grundlage für eine völlige
Öffnung zur ("reinen") Gruppierung und damit eines Rückzugs aus der
umgebenden externen ("unreinen") Außenwelt.


4. Kult des Sündenbekenntnisses

Als konsequente Folge der Forderung nach Reinheit ergibt sich, daß die
Person jeden "Fehltritt" oder Verstoß den Gruppenmitgliedern mitteilen muß.
Dies bildet die Grundlage für Kritik und Selbstkritik. Diese häufig in
kleinen Gruppen durchgeführte Kritik verursacht Scham- und Schuldgefühle,
die den unbewußten Druck erzeugen, dies nicht wieder zu tun. Diese
Einengung des Handlungsspielraums und damit des Handelns ist der nächste
Schritt zu einer starken Persönlichkeitsveränderung.


5. Geheiligte Wissenschaft

Die erfahrene Spiritualität wird als Teil einer komplexen Wissenschaft
dargeboten. Die mit dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit verknüpfte
Belegbarkeit und Modernität des hier exklusiv vermittelten Wissens beugen
einem kritischen Hinterfragen vor. Werden diese Ansichten übernommen,
führen sie zu einer erheblichen Vereinfachung der Weltsicht.


6. Manipulation der Sprache

Durch die gezielte Veränderung der Sprache (hin auf eine einfache "logische"
Sprache und "klare" Begrifflichkeiten) erfolgt noch einmal eine klare
Trennung in "Gut" und "Böse". Beispiele hierfür sind das Verbot der
Verwendung von Begriffen oder die Neudeutung von Begriffen. Diese
Manipulation der Sprache führt zu einer weiteren Reduzierung - und damit
häufig zum Abbruch - der Außenkontakte. Die Ursache hierfür liegt mit
darin, daß diese Person in ihrem externen Umfeld nicht mehr verstanden
wird.


7. Vorrang der Lehre vor dem Menschen

Das eigene Erleben muß der Lehre untergeordnet werden. Hierdurch werden
entstehende Konflikte zwischen dem eigenen Erleben und der Lehre / dem
Dogma der Gruppierung aufgelöst. Jeder Zweifel wird hierdurch zu einer
Bestätigung, daß die Lehre noch nicht "verstanden und internalisiert"
wurde. Lifton führt hierzu aus: "Man lernt, Zweifel als eine Reflexion des
eigenen Bösen zu empfinden".


8. Zu- und Aberkennung der Existenzberechtigung

Dieses Kriterium ist als Endergebnis der vorhergehenden zu verstehen. Es ist
die zwangsläufige Folge der unbedingten Trennung in Extreme. Vorrangig ist
dies nach außen gerichtet, daß heißt die Gruppierung entscheidet
beispielsweise über die "Nichtexistenz" in Form von Bestrafungen oder eines
Ausschlusses. In einigen Gruppierungen kann dieses Kriterium allerdings
nach innen gerichtet sein. Hier entscheiden Gruppenmitglieder über die
tatsächliche Existenz eines Gruppenmitgliedes, das heißt über Leben und
Tod.


(Quelle: Lifton, Robert J.; The Future of Immortality and Other Essays for a
Nuclear Age; Passage: Cults: Religious Totalism and Civil Liberties; New
York, 1987; veröffentlicht als Übersetzung in Auszügen in: Steve Hassan;
Ausbruch aus dem Bann der Sekten; Reinbek, 1993; S. 315 ff.)

Übernommen von Wolfgang Steiner