Strukturen
In letzter Zeit habe ich mich gefragt, ob die heutigen Freikirchenstrukturen, welche sich ironischer Weise kaum von den Staatkirchenstrukturen unterscheiden, den Menschen dienen, oder dienen die Menschen den Strukturen.
Dabei bin ich momentan zu untenstehenden Gedanken und Schlussfolgerungen gekommen.
Die Kirchenstrukturen sind gefährlich weil...
- sie materiell abhängig machen
- sie träge machen
- sie uns von Menschen/Leiter abhängig machen, und dadurch den (geistlichen) Missbrauch ermöglichen
.. sie materiell abhängig machen
Strukturen sind immer mit finanziellem Aufwand verbunden.
Eine durchschnittliche Gemeinde mit 50 Mitgliedern, lädt sich eine monatliche Belastung von mindestens 6‘000 bis 10‘000 CHF auf.
Diese Zahlen stellen sich zusammen aus
- Lohn des Pastors.
Hier ist mit dem Bruttolohn zu rechnen, da die Mitglieder die „Arbeitgeber“ sind, uns somit auch die „Arbeitgeberbeiträge“ zu tragen haben. - Miete / Kauf / Abzahlung der „heiligen Stätte“ – sprich Gemeindegebäude
- Spesen, Unkostenbeiträge für externe Redner
- Unkosten für diverse Anschaffungen wie z.B. Musikanlage, Beamer, Overhead Projektor, Gemeindebrief, Jugendarbeit, Lektüren, Leiterausbildungen u.v.m.
Es ist eine Tatsache, dass die meisten Gemeinden finanzielle Probleme bekommen, sobald sie sich ein eigenes Gebäude finanzieren (wollen). Allein diese Tatsache müsste Leiter dazu führen, den Gebäudekauf zu hinterfragen und die Möglichkeit einbeziehen, dass Gott nicht hinter solchen Finanzierungsplänen und Verschuldung steht.
Nach oft anfänglichem minimalem Wachstum, flachen die Mitgliederzahlen wieder merklich ab, und der Druck auf die übriggebliebenen Mitglieder wird immer stärker, die vorhandenen Strukturen weiter finanzieren zu können. Dieser Druck wird meist unterschwellig produziert.
Meist kommt dann ein glorreicher Ältester auf die Idee, dass die Gemeinde wachsen könnte, wenn mehr Junge in die Gemeinde gebracht werden. Dies geht dann natürlich nur mit einem Jugendpastor, der mindestens eine 50% Anstellung benötigt – und schon wieder haben wir eine finanzielle Mehrbelastung.
Anstatt zu sparen, und in kleinen Gruppen zu wachsen, wird die grosse Gruppe immer kleiner. Unproportional zum Mitgliederbestand, werden aber immer mehr finanzielle Mittel benötigt, um die Strukturen am Leben zu erhalten.
Schlussendlich hat Satan gewonnen, da die Menschen mit sich selber beschäftigt sind, anstatt mit dem Auftrag, den uns Jesus gegeben hat. (Matthäus 28,18 ff)
Die Stukturen „fressen“ Zeit, Finanzen und Energien der Mitglieder, so dass diese den eigentlichen Auftrag nicht mehr wahrnehmen können.
.. sie träge machen
Durch die Tatsache, dass mindestens eine Person von den Mitgliedern bezahlt wird, erwarten manche Mitglieder, dass diese Person die Aufgaben übernimmt und die Dinge tut, für die sie selbst keine Zeit mehr aufbringen können/möchten.
Dadurch wird verpasst, die Mitglieder zu mündigen, reifen Christen zu formen. Die unangenehmen und/oder herausfordernden Dinge muss ein anderer machen – sie schieben die Verantwortung ab. Sie zahlen dafür, und wiegen sie sich in einer falschen Sicherheit. Solche Leute bleiben entweder ewige „Milchdrinker“, oder werden gemästete, unbewegliche Nimmersatt.
Viele verlernen das Hören auf die Stimme Gottes, falls sie je gelernt haben, auf Gottes Stimme zu hören. Man bedenke, dass Jesus gesagt hat, dass seine Schafe seine Stimme kennen. (Joh. 10, 27) Schlussendlich brauchen sie das Hören auf die Stimme Gottes nicht mehr, denn sie bekommen ja alles durch ihre(n) Leiter diktiert.
.. sie von Leitern/Menschen abhängig machen...
Nicht selten sieht sich der Pastor als Hirte, der über seine Schafe wachen muss.
Diverse Mitglieder bestätigen diese Position, da diese immer wieder zum Pastor kommen, da dieser ja bezahlt wird, und durch die Zeit, die ihm zur Verfügung steht, auch Antworten auf die anstehenden Fragen haben muss.
Des öfteren manövriert sich ein Pastor in die Vermittler Rolle zwischen „Schäfchen“ und Gott. Anstatt die Mitglieder zu Jünger zu machen, werden diese immer abhängiger vom angeblich alles wissenden Pastor.
Es kann jedoch auch sein, dass ein Mitglied den Pastor und dessen Position gegen ein anderes Mitglied einsetzt.
Nehmen wir an, dass XY mit AB ein Problem hat. XY bejammert den Pastor, der sich entweder geehrt fühlt, da er benötigt wird, oder bedrängt fühlt, da XY ein guter Zehntenzahler, langjähriges Mitglied etc. ist und er diesen nicht verlieren möchte. Leider ist es auch oft in Freikirchen so, dass wer zahlt, befiehlt.
Nun handelt der Pastor im Übereifer, unter Druck oder falschem Beschützerinstinkt – dies meist im Affekt, anstatt aus tiefgründigen Überlegungen und Gebet heraus – schon haben wir eine Form des geistlichen Missbrauchs. Der Pastor (miss-)braucht seine Position, um AB klar zu machen, dass zu tun, was XY verlangt hat.
Da AB jahrelang mit den Versen „Du sollst dich den Ältesten unterordnen“ geimpft wurde, wird er die Entscheidung des Pastors nicht in Frage stellen, sondern kuschen – Er wird nie erfahren, dass hinter alledem XY steckt.
Bei einer flachen Struktur, respektive der konsequenten Befolgung der neutestamentlichen Struktur des 5-fältigen Dienstes, wäre ein solcher Missbrauch unwahrscheinlich.
Scheitern könnte das ganze höchstens durch ehemalige Kirchenmitglieder, die nicht vom alten, (frei-)kirchlichen Strukturdenken befreit wurden.
Natürlich könnte in diesem Abschnitt anstelle von Pastor auch Hauskreisleiter, Jugendgruppenleiter, Lopreisleiter etc. stehen
Vermeintlich Positive Aspekte
Man kann natürlich diverse, vermeintlich Positive Aspekte aufführen:
- Jugend- Jungschararbeit
- Räumlichkeiten/technische Möglichkeiten für Jugendbands
- Übungsplattformen
- Kinderprogramm
- Predigten (durchwegs Monologe !)
Wenn man nun den Aufwand, sprich die Strukturen betrachtet, welche benötigt werden um diese Plattformen zu bieten, kann man sich fragen, ob es nicht dienlicher wäre, die Strukturen abzubauen, Geld, Zeit und Begabungen gezielt freizusetzen um dabei zu merken, dass Plattformen ausserhalb einer kostspieligen Gemeindestruktur möglich sind.
Dabei wir man merken, dass einiges an Geld, Zeit und Ressourcen übrigbleibt, wo die aktuellen Strukturen, durch ihren dauernden Mangel an Leiter und Ressourcen, meist zum Burn-Out führen.
Wie heisst es so schön: „Weniger ist manchmal mehr.“
Daraus resultierende Überzeugungen
- Die Strukturen sind massgeblich daran Schuld, dass die Kirchen den ursprünglichen Auftrag nicht mehr erfüllen (können).
- Wenn die Christen wieder wirkungsvoll ihre Umgebung beeinflussen wollen, müssen sie von den veralteten Strukturen loskommen, die übrigens ihre Wurzeln in der Profit orientierten Geschäftswelt haben. (Organisations- & Führungsbereich)
- Wir müssen davon wegkommen, dass die Gemeinde (Struktur) wichtig ist, und zurückfinden an den Ursprungspunkt, wo der Mensch, und seine Beziehung zu Gott im Vordergrund unseres Schaffens stehen. Erst dann wird Wachstum wieder möglich sein. Solange wir den Menschen in eine Gemeinde bringen wollen, steht die Erhaltung der Struktur im Vordergrund, nicht der Mensch ! Die Menschen wollen jedoch nicht in eine weitere Struktur eingefügt werden, dies haben sie zu genüge in ihrem Alltag- / Geschäftsleben. Die Mensch suchen echte Beziehungen ! Danach hungern die meisten Menschen unserer Zeit. Die Scheidungsraten (die übrigens bei Christen kaum besser sind) reden für sich – die Menschen sind nicht mehr Beziehungsfähig und wünschen sich Beziehungen. Genau da sollten wir Christen die Menschen abholen, schliesslich haben wir die „ultimative“ Beziehung, die ein Mensch je haben kann – die Beziehung zu unserem himmlischen Vater ! Die Menschen brauchen Väter, die sie lieben, nicht Leiter, die ihnen sagen was sie zu tun haben; Leiter und Führer haben sie im Überfluss an ihren Arbeitsorten, Vereinen etc. Die Menschen suchen echte Beziehungen zu echten Menschen, mit denen sie echte Nöte und Freunden teilen können.
Göttliche Strukturen
Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass alle Strukturen schlecht sind.
Wir sehen in der Schöpfung, dass Gott sehr wohl strukturiert vorgegangen ist und gewisse Strukturen nötig sind, damit das Leben ent- und bestehen kann.
Auch lesen wir im Neuen Testament, dass Gott gewisse Ordnung im Zusammenleben der Christen wichtig ist.
Gott gibt Strukturen. Wichtig dabei ist, dass die Strukturen den Menschen dienen, nicht die Menschen den Strukturen. Wie Jesus schon gesagt hat: „Der Sabbat ist für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat.“ (Markus 2,27) Die Strukturen Gottes dienen dazu, dass die Menschen näher, resp. wieder zu Gott finden.
Genau an dem Punkt von Gemeinschaft scheitert ebenfalls die Form des heutigen, (frei-) kirchlichen Gottesdienstes.
Gott hat Strukturen geschaffen, damit die Menschen in Beziehung zu ihm finden und bleiben, und in Beziehung zueinander finden.
Im Gottesdienst, und immer öfter auch in den Hauskreisen, sind die meisten Leute auf eine Person, resp. dessen Ausführungen konzentriert; falls überhaupt.
Gemeinschaft untereinander haben sie dadurch nicht; nicht einmal zu der Person, meist der Pastor, die einen Monolog führt. Um Gemeinschaft zu haben, braucht es den Dialog, sprich, es muss die Möglichkeit bestehen, dass sich alle einbringen können. Ab einer Grösse von 20 Personen ist dies kaum noch möglich.
Nicht mal beim Kirchenkaffee ist dies ausreichend möglich, da einerseits der nötige, vertraute Rahmen dazu fehlt (kreischende Kinder, nicht vertrauenswürdige Personen etc.), andererseits viele Leute nach dem Gottesdienst nach Hause eilen um sich „wichtigeren“ Dingen zu widmen.